Aleppo. Für viele ein Synonym für die Schrecken des Krieges. Für Mahmoud Basmaji bedeutet es Heimat. Eine Heimat die er vielleicht nie wiedersehen wird. In der mehr als viertausend Jahre alten Stadt im Norden von Syrien, die seit 2006 den Beinnamen Hauptstadt der islamischen Kultur trägt, wuchs der 28jährige Syrer als Sohn eines erfolgreichen Geschäftsmanns mit drei Geschwistern auf. Bereits mit 14 Jahren arbeitete er im Geschäft seines Vaters mit und eröffnete als Zwanzigjähriger seine eigene Firma. In drei Ladenlokalen verkaufte er Kleinstteile für LKWs und exportierte diese in den gesamten arabischen Raum.
Als vor ein dreiviertel Jahren seine Tochter zur Welt kam schien für den Jungunternehmer das Glück komplett zu sein. Aber da hatte längst der Krieg Einzug gehalten in seine Heimat. Bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen wurde seine Firma komplett zerstört, so dass er über Nacht vor dem Nichts stand.
Zudem drohte ihm auf einmal auch die Einberufung zum Militär um in einem Kampf zu kämpfen der nicht der seine ist. „Wer Geld hatte konnte sich vom Militärdienst freikaufen“, erzählt er und fügt hinzu, „vor dem Krieg haben in Aleppo alle Bevölkerungsgruppen aus allen Religionen friedlich zusammengelebt. Die Moschee und die christliche Kirche lagen sogar an einer Straße direkt nebeneinander“.
Schweren Herzens entschloss er sich seine geliebte Heimat und seine Familie zu verlassen. „Meiner kleinen Tochter wollte ich diese beschwerliche Flucht nicht antun. Ich bin in der Hoffnung gegangen sie möglichst schnell nachzuholen“. Das war vor acht Monaten. „Wenn mich meine Tochter das nächste Mal wiedersieht, weiß sie nicht mehr wer ich bin. Aber ich möchte ihr und meiner Frau eine sichere Zukunft bieten. Ohne Angst um das eigene Leben“, sagt er traurig.
Gemeinsam flog er mit seiner kleinen Familie und seinen Eltern in die Türkei um noch einmal gemeinsam Urlaub zu machen. Ein vorerst letzter Moment von gemeinsamen Glück. „Damals ging das noch. Heute brauchen Syrer ein Visum für die Türkei“, weiß er zu berichten. Während die Anderen zurück reisten machte er sich in den Straßen von Izmir auf die Suche nach Schleppern die ihn nach Griechenland bringen sollten. Schnell wurde er fündig. „Es war kein Problem auf den Straßen Izmirs jemanden zu finden, weil es sehr viele gab. Aber dann hat es doch noch ein wenig gedauert bis es endlich losging. Mal war der Motor zu schwach und ein anderes Mal hieß es die Polizei hätte davon erfahren“, erinnert er sich zurück. Beim vierten Versuch ging es dann endlich los. Fünfundvierzig Personen wurden auf ein acht Meter langes Schlauchboot gepfercht und in einer mehrstündigen Fahrt auf eine der griechischen Inseln gebracht. „Es waren Babys aber auch alte Menschen mit an Bord, fast alle mit Rucksack. Man konnte sich kaum bewegen“, beschreibt der Familienvater die Zustände an Bord, die er wohlweislich seiner Familie nicht zumuten wollte. In Griechenland verbrachte er fast zwei Wochen bevor es weiter nach Mazedonien ging. Erst mit dem Bus und dann die letzten Kilometer über die Grenze zu Fuß. In Mazedonien angekommen gab man ihnen den Rat die Grenze nach Serbien nicht bei Nacht zu überqueren, da sich im Grenzgebiet viele Banditen rumtreiben würden. Hatte Basmaji bisher größtenteils hilfsbereite Menschen getroffen, sollte sich dies in Serbien und Ungarn ändern. Wenig Positives kann er über die Polizei in diesen beiden Ländern berichten. „Wir hatten eigentlich keine Papiere für Serbien, aber, wenn man den Polizisten Geld gegeben hat haben sie einen weiterfahren lassen. In Ungarn haben wir uns vor der Polizei versteckt und sind durch das Gebüsch gekrochen. Wir sind mit 55 Personen nach Ungarn gekommen. Als wir das Land verlassen haben waren wir nur noch zu Acht“. Von Ungarn aus ging es mit PKWs innerhalb weniger Stunden nach Passau. „Es hat mich rund 3.500 € gekostet um nach Deutschland zu kommen. Ohne Geld wäre ich wahrscheinlich gar nicht so weit gekommen“. Dabei war es sogar noch ein „Schnäppchen“. Wenige Monate zuvor hätte er noch deutlich mehr Geld auf den Tisch legen müssen. Von Passau ging es zunächst nach Neumünster und Bramsche bevor er nach Oldenburg kam. Hier lernte er dann ziemlich schnell Michael Groth kennen. Ein Glücksfall für den Syrer. Der Oldenburger Extremsportler war in das Flüchtlingsheim gekommen um den Bewohnern ein kostenloses Lauftraining in seiner Laufgruppe, die sich jeden Mittwoch um 18:45 Uhr im Bürgerbusch trifft, anzubieten. Mittlerweile ist Groth nicht nur Trainer, sondern auch guter Freund des 28jährigen aus Aleppo. „Wir gehen zusammen Kaffetrinken, haben auch schon gemeinsam gekocht und ich begleite Mahmoud auch zu den Ämtern. Das ist teilweise schon für mich nicht leicht mich da zurecht zu finden, wie muss das erst für jemanden sein der die Sprache nicht spricht“, berichtet der Oldenburger, der sogar angefangen hat arabisch zu lernen. Eigentlich wollte sich der Syrer nicht über die politische Situation in seinem Land äußern, da er und seine Landsleute selbst hier in Deutschland noch Angst haben sich über dieses Thema zu auszulassen. Aber eine Sache musste er dann doch noch loswerden: „Der ISIS gehört nicht zu meinem Land. Die sprechen ja nicht einmal die gleiche Sprache wie wir“.