Merle Osterthun - Franschhoek hat mich verändert

äufig wird Merle Osterthun in diesen Tagen gefragt wie denn ihr Aufenthalt in Südafrika gewesen sei. „Das ist im Moment gar nicht so einfach zu beantworten. Ich brauche noch etwas Zeit um alles zu verarbeiten. Auch ist es nicht so einfach das Erlebte anderen näherzubringen. Dazu gehören ja nicht nur Bilder die ich gemacht habe, das sind ja nur Momentaufnahmen die auch nur einen kleinen Ausschnitt des Ganzen zeigen. Hierzu gehören auch die Geschichten die zu den Bildern gehören sowie die Gerüche und Empfindungen die ich wahrgenommen habe. Ich weiß noch nicht genau wie, aber Franschhoek hat mich verändert“. Wer die strahlenden Augen der 24jährigen sieht wenn sie erzählt, kann erahnen, dass die drei Monate die sie in Südafrika verbracht hat ihr auf jeden Fall sehr positiv im Gedächtnis bleiben werden. 
Eine Verletzung zwang die gebürtige Oldenburgerin vor zwei Jahren mit den Handballspielen aufzuhören. „Ich musste das irgendwie kompensieren. Als mich meine Schwester auf einen Artikel über PLAY HANDBALL ZA aufmerksam machte, hat mich das Projekt gleich begeistern und mit Nicola Scholl der Direktorin der Organisation habe ich mich auch von Anfang an sehr gut verstanden.“
So kam es, dass sich die gelernte Journalistin im August mit fünf weiteren Volontären auf den Weg nach Kapstadt machte. Nach einer gemeinsamen Einführungswoche trennten sich die Wege der Sechs. Für Osterthun ging es ins 60 Kilometer östlich von Kapstadt gelegene Franschhoek. Administrativ gehört der Ort mit seinen rund 15.600 Einwohnern zum Distrikt Cape Winelands, einem der wichtigsten Weinanbaugebiete Südafrikas indem mehr als zwanzig Weingüter Spitzenweine produzieren. Das Township, oder die Community wie die Einwohner ihren Wohnort selbst bezeichnen, lieg an einem großen Berghang. „Je höher man sich vorwagt, desto ärmlicher wird es. Hier leben die Menschen ohne fließend Wasser und Toiletten. Auch nachdem ich schon eine Zeitlang da war fiel es mir noch schwer mir das vorzustellen, obwohl ich es ja gesehen und vor allem gerochen habe. So eine Armut habe ich zuvor noch nicht gesehen. Einmal sah ich einen kleinen Jungen der auf einer Treppe saß und einen plattgetretenen Apfelrest vom Boden aß. Als er mich bemerkte tat er so als ob er sich den Schuh zubinden würde. Herzzerreißend!“ Oben angekommen bietet sich dem Betrachter das absolute Kontrastprogramm zu der ärmlichen Umgebung in der man sich gerade befindet. „Ein großes Weingut mit tollen Häusern im französischen Still reiht sich dort an das nächste“. Da sich in jüngster Zeit zahlreiche reiche Südafrikaner hier niedergelassen haben gehören die Immobilienpreise mittlerweile mit zu den höchsten in Südafrika. Ein Gegensatz der die junge Oldenburgerin jedes Mal zum Nachdenken anregte und auch heute noch beschäftigt. Zweimal die Woche machte sie sich auf den beschwerlichen Weg nach oben, wo eine der beiden Schulen lag an denen sie unterrichtete. „Anfangs war mir schon ein wenig mulmig zumute wenn ich zur Schule gegangen bin. Denn neben freundlichen Blicken oder betrunkenen Blicken trafen mich auch sehr argwöhnische und misstrauische, manchmal gar feindliche Blicke.“ Als einzige Weiße im Township war sie eine kleine Attraktion in Franschhoek. Nicht nur für die Einheimischen. „Regelmäßig wurden Touristen in Bussen durch die Community gekarrt. Ich möchte nicht wissen auf wieviel Fotos ich verewigt wurde“, schüttelt sie noch im nach hinein den Kopf wenn sie an diese Situationen denkt. Trotz der sie umgebenden Armut und dem ständig präsenten Alkoholismus und Drogenkonsum in den Straßen fühlte sie sich wohl in dem Township. „Ich glaube meine Gastfamilie war schon ein wenig stolz darauf mich zu beherbergen. Auch wenn sie selbst nicht viel haben, haben sie alles mit mir geteilt. Ich hatte sogar mein eigenes Zimmer und alle haben sich rührend um mich gekümmert. Mama Dean, meine Gastmutter, hat dann auch alle ihre Freunde und Verwandten instruiert auf mich ein wenig aufzupassen, so dass ich eigentlich immer unter Aufsicht stand. Sind wir abends mal rausgegangen und ich musste auf Toilette hat sich jedes Mal jemand von meinen neugewonnenen Freunden vor die Tür gestellt und aufgepasst, dass nichts passiert. Wirklich lieb.“
Einen Sportunterricht wie wir ihn in Deutschland kennen gibt es hier nicht. Eigentlich handelt es sich um eine Sozialstunde in denen die Kinder u.a. über AIDS aufgeklärt werden. Auch geht die Schulstunde keine dreiviertel sondern nur eine halbe Stunde. Vier Mal in der Woche war sie in der Groendal und der Dalubuhle Primary School als Handballtrainerin aktiv. Wobei von einem Handballtraining im engeren Sinne keine Rede sein konnte. Drei Bälle für 40 bis 60  Fünft- bis Siebenklässler lassen ein richtiges Training kaum zu. „Handbälle sind in Südafrika nicht zu bekommen, deshalb ist PLAY HANDBALL ZA dringend auf Spenden angewiesen, um Ausrüstung bereit zu stellen. Aber die Begeisterung mit der die Kinder bei der Sache sind zu sehen ist schon eine gute Motivation das Beste aus der Situation zu machen. Eine zusätzliche Motivation bekam ich dadurch, dass mich wildfremde Menschen auf der Straße ansprachen und sich bei mir bedankten, dass ich ihren Kindern Handball beibringe“. Zweimal hat sie in dieser Zeit ein Handballturnier organisiert. Hier musste sie feststellen, dass die Menschen in Südafrika alles etwas entspannter angehen. So begannen die Vorbereitungen für das Turnier nicht mehrere Wochen vorher sondern gerade Mal zwei Tage. „Und es hat trotzdem alles funktioniert. Bis auf das um neun Uhr als das erste Turnier beginnen sollte noch keine Kinder da waren. Die ersten trudelten so gegen elf Uhr ein“, erzählt sie schmunzelnd. „Beim zweiten Turnier war es dann schon besser, da kamen sie nur ein paar Minuten zu spät. Da hatten sie schon gemerkt was die „Deutsche“ nervt“, grinst sie.
Deutlich besser waren da schon die Bedingungen auf der, zum Weingut La Motte gehörenden, Dennegeur Farm, auf der Arbeiter des Weinguts mit ihren Familien wohnen. Hier trainierte Osterthun an zwei Nachmittagen die Woche zwanzig Kinder auf einer farmeigenen Sportanlage, zu der sogar eine Netballhalle gehört. „Zwar gab es auch hier keine Tore, aber da haben wir dann halt zwei Jacken als Torpfosten genommen“.
„Seitdem ich wieder zurück in Deutschland bin gehe ich viel bewusster mit meinem Geld um. Ich überlege es mir zweimal ob ich mir wirklich jeden Blödsinn kaufen muss. Auch versuche ich alles etwas entspannter anzugehen. Wir machen uns hierzulande viel unnötigen Stress und klagen auf sehr hohem Niveau. In Franschhoek freuen sich die Menschen schon über Kleinigkeiten die bei uns kaum noch jemand wahrnimmt.“     
Wer PLAY HANDBALL ZA unterstützen möchte kann dies direkt über www.betterplace.org/p22593 oder findet weitere Informationen auf www.play-handball.org .